Rettungsschirm wird doch gebraucht
Hiobsbotschaften zum Theater nehmen kein Ende
Altenburg/Gera. Obwohl der Geraer Stadtrat vorgestern Abend als erster der drei Gesellschafter der Finanzierungsvereinbarung mit dem Land Thüringen für das Altenburg-Geraer Theater zugestimmt hat, nimmt die Debatte um die fusionierten Bühnen immer dramatischere Züge an. Mit voraussichtlich bis zu 2,5 Millionen Euro schlägt der beabsichtigte Übergang vom Haus- zum Flächentarifvertrag zu Buche. Außerdem wurde erst jetzt bekannt, dass das Theater den mehr als 1,8 Millionen Euro umfassenden Rettungsschirm des Landes und der drei Gesellschafter in vollem Umfang nutzen muss, um bis Ende 2012 zu überleben.
Von Ellen Paul
Bis jetzt war immer die Rede davon, das vor einem Jahr in heftige Turbulenzen geratene Theater könne die Krise aus eigener Kraft bewältigen. Mehrfach hatte Ex-Intendant Matthias Oldag bei seinem Abschied öffentlich erklärt, nicht einen Euro des Rettungsschirms in Anspruch genommen zu haben. Dem hat Landrat Sieghardt Rydzewski (parteilos) in dieser Woche auf eine entsprechende Anfrage im Kreistag widersprochen. „Wir haben die Presseäußerungen gelesen, wollten aber nicht noch Öl ins Feuer gießen. Wir wussten, dass es anders ist“, so Rydzewski. Schon Ende 2010 sei zusätzliches Geld gebraucht worden.
Die Stadträte in Gera und Altenburg sowie die Kreisräte des Altenburger Landes dürften dies mit einigem Entsetzen zur Kenntnis nehmen. Hatten sie doch angesichts eigener finanzieller Schwierigkeiten gehofft, nicht draufsatteln zu müssen. Auch der neue Intendant Kay Kuntze zeigt sich von der tatsächlichen Schieflage des Hauses überrascht. Noch vor dem Sommer, zur Zeit seiner Bewerbung und des Auswahlverfahrens für die Intendanz, habe er vielmehr beruhigende Signale empfangen, sagt er in einem Gespräch mit der in Gera erscheinenden Ostthüringer Zeitung. Dabei ließ er überraschend seine eigene Zukunft offen. Während er gegenüber OVZ erklärte, die Kreistagsentscheidung gegen ihn habe erst einmal keine Konsequenzen, sieht er das einen Tag später offensichtlich etwas anders. Er wolle diese persönliche Entscheidung erst treffen, wenn alle Finanzierungsdaten auf dem Tisch liegen und damit die Perspektiven des Hauses verbindlich geklärt seien.
Inzwischen lichten sich zumindest die Nebelschwaden, die das plötzliche Bedürfnis von Landrat und Oberbürgermeister umgeben, die Finanzvereinbarung mit dem Land Thüringen nachverhandeln zu wollen. Wie Michael Wolf im Gespräch mit dieser Zeitung erklärte, schlägt die beabsichtigte Rückkehr zum Flächentarifvertrag für die Angestellten des Theaters mit insgesamt voraussichtlich 2,5 Millionen Euro zu Buche. „Und niemand weiß, wie das bezahlt werden soll.“ Hinzu kommen die Unwägbarkeiten bei der Finanzierung des neuen Staatsballetts.
Wolf hat deshalb eigenen Aussagen zufolge in dieser Woche an den Betriebsrat appelliert, mit der Belegschaft über Lohnverzicht zu sprechen. Und zwar mehr als im gegenwärtig gültigen Haustarifvertrag. „Nur über diese Solidarität können die Arbeitsplätze erhalten werden“, so der SPD-Politiker. Wenn diese erste Variante nicht möglich sei, blieben nur betriebsbedingte Kündigungen. „Der Schritt zum Flächentarifvertrag ist dermaßen heftig, dass es definitiv nicht mehr das Theater sein wird, was wir derzeit haben. Es würde die Zerschlagung von Sparten bedeuten und womöglich das Ende einer 140-jährigen Theatertradition.“
Wer von Einsparpotenzial spreche, wisse nicht, wovon er rede. Wer nicht bereit sei, sich am Rettungsschirm zu beteiligen oder gar insgesamt weniger Geld geben will, trage zur völligen Zerschlagung des Theaters bei, so Wolf. „Ich werde mit allen Mitteln versuchen, dies zu verhindern.“ © Kommentar Seite 15
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