8.Philharmonisches Konzert

Concerto à la Liszt

Concerto à la Liszt. Ein Konzert der anderen Art. Ganze zehn verschiedene Stücke von sechs Komponisten stehen auf dem Programm und lassen einen sehr kurzweiligen, beschwingten Abend folgen.
Der Aufbau des 8. Philharmonischen Konzertes dieser Spielzeit, im Rahmen der Liszt Biennale Thüringen aufgeführt, steht ganz im Zeichen Franz Liszts. Ein Programm nach seinem Vorbild. Gestaltet mit Werken von ihm selbst, sowie seiner Lehrmeister, Vorbilder oder musikalischen Freunde.
Den Anfang macht ein typischer Franz Liszt mit der Orchesterversion der Ungarischen Rhapsodie Nr. 2. Ein wunderbares Stück Musik. Die Blechbläser des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera bieten einen würdigen Rahmen hinsichtlich Klangfülle und Volumen. Und doch wird man gleich zu Beginn unangenehm überrascht. Das Orchester, insbesondere die Streicher sind fahrig, wirken unruhig. Generalmusikdirektor Laurent Wagner scheint nach den politischen Worten zu Anfang des Konzertes über das TTIP-Freihandelsabkommen wie aufgedreht. Judith Eisenhofer als Konzertmeisterin versucht teils vergeblich, das Orchester zu beruhigen und stemmt sich mit ihrer spielerischen Klasse gegen das Davonlaufen der Musik.
Auch der zweite Programmpunkt, eine Arie von Salieri, trägt diese Unruhe des Anfangs fort. Einzig die Sopranistin Kim Sheehan überzeugt bei ihrer Rückkehr nach Gera. Sie bringt eine Kraft und ein solches Volumen in ihrer Stimme auf die Bühne, wie man es, abgesehen von Anne Preuß, in Gera länger nicht erlebt hat.
Und so bekommt sie nach ihrem zweiten Auftritt, der Arie der Zenobia aus Rossinis Aureliano in Palmira, donnernden Applaus. Sie übersteht diese teils sehr schweren Gesangspartien ohne Probleme. Mittlerweile hat sie jedoch schon eine solche Lautstärke erreicht, dass sie das Orchester mühelos übersingt und sich der Verdacht auf den Gebrauch eines Mikrofons erst durch genaues Hinsehen zerschlagen lässt.
Was danach folgt, ist der erste Vorgeschmack auf den virtuosen Wahnsinn des Pianisten Bernd Glemser. Allein am Flügel präsentiert er Liszts Klaviertranskription von Isoldes Liebestod aus Richard Wagners Tristan und Isolde. Er spielt so technisch perfekt, so ruhig, so weich, fein, emotional, dass er zu diesem Zeitpunkt des Konzertes das genaue Gegenbild zur bisherigen Orchesterleistung darstellt. Er sitzt am Flügel und man meint, er würde ihn umarmen, in sich schließen und wie von selbst Töne aus ihm entlocken. Grandios.
Nach der Pause kommt das Orchester gestärkt zurück. Es erobert seine sonstige Paraderolle mit Richard Wagners Vorspiel zu Lohengrin zurück. Plötzlich ist wieder alles da, Ruhe, Kraft, Schönheit. Und da die ruhigen Passagen an diesem Abend das Orchester deutlich stärker präsentieren als die ungewollt wilden, lässt der siebte Programmpunkt die erste Hälfte des Konzertes beinahe wieder vergessen.
Und dann der angekündigte Wahnsinn. Das Highlight der bisherigen Spielzeit. Glemser ist zurück auf der Bühne mit dem ausdrücklichen Ziel, Liszts 1. Klavierkonzert in Es-Dur an diesem Abend in Gera ein Denkmal zu setzen. Die Frage nach dem Gelingen dieses Vorhabens stellt sich nie. Glemser macht all das, was er vorher schon andeutete in ausgeprägter Perfektion. Über seine technischen Fähigkeiten ist kein Wort mehr zu verlieren. Aber auch sein weiteres Auftreten, seine Souveränität, sein Zusammenspiel mit dem Orchester, das mit jeder von Glemsers Solopassagen stärker wird, sucht seinesgleichen an diesem Geraer Haus. Glemser definiert den Begriff Virtuosität, gibt ihm seine ursprüngliche Bedeutung zurück- laut Duden die vollendete Beherrschung einer Sache! Er ist, das darf man wohl sagen, der stärkste Solist der ganzen Spielzeit.
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, schließt er das Konzert mit der, wie einer Zugabe anmutenden Liszt’schen Liedtranskription von Schuberts Erlkönig. Natürlich allein. Der Konzertsaal tobt. Ein lange Zeit verlorenes Gefühl, ein Konzert im Jubel zu beenden, kehrt zurück.
Und so endet ein beschwingter Konzertabend. Eine Programmzusammenstellung wie man sie selten findet. Der Mut dazu ist großartig für ein Haus wie Gera. Das Orchester jedoch erwischt einen schlechten Tag, kann im Jubel Glemsers den Saal aber erhobenen Hauptes verlassen.
Felix Lorber