Zu Anfang des 4. Philharmonischen Konzert erklingt, noch im frühromantischen Stil, die Hebriden-Ouvertüre, die auf Felix Mendelssohn Bartholdys Schottlandreise im Jahr 1829 entstand, an der er aber mehrere Jahre danach noch arbeitete. Dem Klangkörper unter Laurent Wagner gelingt es sofort, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen. Dazu nutzt das Orchester dynamische Spannungen vom Pianissimo zum Fortissimo und die melancholisch-gesanglichen Linien, die fast zum Seufzen auffordern. Bis auf wenige Intonationsschwierigkeiten in den Holzbläsern gelingt ein überzeugender, frischer und dem Stück angemessen aufbrausender Vortrag.
Dass unbekannte Werke immer wieder den Reiz versprühen, gespielt und gehört zu werden, beweist das an diesem Abend gespielte Stück „Hebriden-Tänze“, welches dem in der Nazizeit verfolgten Walter Braunfels zuzuordnen ist. Als Solist ist Prof. Hartmut Hudezeck von der Partie, der den Häusern Gera und Altenburg schon als ehemaliger Studienleiter und Konzertsolist bekannt ist. Die vielen Abschnitte und Variationen, in die dieses Werk untergliedert ist, verzeichnen massenhaft Charakterzüge, die im Wechsel- und Zusammenspiel zwischen Orchester und Solist vorgetragen werden. Dabei ist anzumerken, dass Braunfels stilistisch gesehen unglaublich facettenreich komponiert hat. Die Farben, die dabei entstehen, übertragen beide Parts überzeugend. Wie üblich für Komponisten des 20. Jahrhunderts ist die Setzweise der Partitur so vielseitig und überlagernd, dass beim ersten Hören vom Publikum nicht jeder Sinn wahrgenommen werden kann. So ist auch der verhaltene Applaus zu erklären, der jedoch nicht auf die Qualität des Vortrags zurückzuführen ist.
Die 3. Sinfonie des spätromantischen Komponisten Johannes Brahms wurde von ihm selbst gern als „Sinfoniechen“ bezeichnet, wie aus dem Programmheft zu entnehmen ist. Dieser Bezeichnung entgegen steht schon der erste Anfang: Zwei Akkorde im Forte münden im Einsetzen der Streicher, genau so emotional, dass es den Konzertmeister fast nicht mehr auf dem Stuhl hält. Melodien zum Seufzen, schon wie zu Anfang des Konzerts, laden zum Träumen ein. Brahms’sche Modulationen werden vom Orchester so aufgefangen, dass sie problemlos verstanden werden. Bereits im ersten Satz entpuppt sich das „Sinfoniechen“ als Energiebündel, gut beweisen kann man das am eher ungewohnten dirigentischen Ausbruch, stark unterstützt von Mimik und Gestik, des künstlerischen Leiters Wagner.
Soloklarinettist Hendrik Schnöke lädt butterweich und lyrisch zum zweiten Satz ein, dessen weiterer Verlauf sich aus dieser Vorlage musikalisch und emotional ergibt. Aufeinander hörend musiziert das Orchester kammermusikalisch, sehr sorgfältig und bis zu jedem Phrasenende.
Dritter und Vierter Satz ergeben als Einheit einen krönenden Abschluss und verbinden viele positive Eindrücke des Konzertabends noch einmal zu einem Erlebnis: Klangkultur, innige Melodienverläufe, rhythmische Präzision und vor allem ein logischer und konsequent durchgeführter Spannungsbogen über das gesamte Werk hinweg.
Das Publikum quittiert die Aufführung mit langem, herzlichem Applaus.
Tobias Hohberg, 17.01.2018