3. Philharmonisches Konzert

Zwei Stunden Musikgeschichte oder sinfonisches Material in Perfektion

Laurent Wagner und das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera laden zum dritten Philharmonischen Konzert der Saison 2014/2015 und nicht weniger als ein musikalischer Abriss über die Geschichte der Sinfonie steht auf dem Programm. Und dieser gelingt.
Haydn, Schubert, Mahler- in dieser Reihenfolge stehen Sinfonien der drei Meister im Ablauf, die auch dem Laienzuhörer ein Bild davon geben, wie die Entwicklung der instrumentalen Königsgattung Sinfonie vonstatten ging. Außerordentliches Glück hatte man hier auch, indem man einen Tag erwischte, an dem die Solisten in überragender Form agieren. Allen voran Konzertmeisterin Judith Eisenhofer, die mit den gänzlich verschieden gearteten Violinensoli der drei Sinfonien nach teilweise gezwungen Auszeiten bei den letzten beiden Konzerten dem Publikum ihr ganzes Können präsentieren konnte. Neben ihr wissen besonders auch die Solisten an Klarinette, Oboe und Cello in einem Maß zu überzeugen, dass der geneigte Hörer beinahe nur auf die Solo- oder Triostellen wartet.
Mit Joseph Haydns 7. Sinfonie „Der Mittag“ steht der zweite Teil seines „Tageszeitenzyklus“ auf dem Programm. Diese drei Sinfonien beinhaltende Konzertserie entstand unmittelbar an der Grenze zwischen Barock und Klassik und wird gleichzeitig als eine der Geburtshelferinnen der Gattung Sinfonie angesehen. Neben einer Kammerbesetzung verlangt die Partitur auch eine Riege überdurchschnittlicher Solisten. Und hier spielt sich Judith Eisenhofer das erste Mal in die Herzen der Zuhörer und wird wie Nico Treutler am Solo-Violoncello berechtigt gefeiert. Einzig der sonst stets überzeugende Peter Nelson enttäuscht mit seiner zugegebenermaßen sehr schwierigen Solopartie am Kontrabass. So erreicht „Der Mittag“ zwar nicht ganz den Schwung des, im ersten Konzert der Saison gehörten „Der Morgen“, erfreut sich in Gera aber trotzdem großer Beliebtheit und schafft Vorfreude auf den letzten Teil „Der Abend“ im vierten Konzert.
Anschließend erklingt noch vor der Pause Schuberts 7. Sinfonie. Wagner und sein Ensemble erreichen hierbei eine solche Klangfülle und Ausgewogenheit in den musikalischen Mitteln, dass es ein wahrer Genuss ist. Besonders der vorher gescholtene Nelson und seine Kontrabass-Riege schwelgen herrlich tief und unglaublich klangvoll über den Pizzicato-Streichern. Auch Solo-Klarinette und Solo-Oboe gelingt ähnliches. An dieser Stelle fällt wieder einmal auf, was das Philharmonische Orchester für ein vortreffliches Bläser-Ensemble besitzt. Diese, Schuberts „unvollendete“ Sinfonie steht geschichtlich kurz nach Beethovens monumentalen Sinfoniewerken und so auch teilweise im Schatten dieser. Im Bestreben Schuberts, eine eigene Machart und Kompositionsweise in Bezug auf die Gattung der Sinfonie zu entwickeln, bildet diese heute auch einen wichtigen Meilenstein in der musikhistorischen Entwicklung hin zu den Großwerken eines Mahler oder Strauss.
Mit dem Schwung Schuberts geht es nach der Pause in das krönende Werk des Abends. Gustav Mahlers 4. Sinfonie zeigt die Sinfonie auf einem Höhepunkt ihrer Entwicklung, überformt zu einem „Spiegel der Welt“, wie Mahler selbst vermerkte. Diese Welt, deren Ängste, Katastrophen, Sehnsüchte, aber auch Freuden und Hoffnungen durch eine teilweise zerrissen, gar schemenhaft scheinende musikalische Darstellung Ausdruck findet, scheint jedoch leider einen Teil des Geraer Publikums zu überfordern. Dabei sind es besonders die außergewöhnlichen Tendenzen, die Mahlers Sinfonie zur Krönung der Gattung ausformen. Harmonische Griffe, wie die im zweiten Satz um einen Ganzton höher gestimmte Solovioline, die jedoch stets wieder aufgelöst wird, wobei wieder einmal Judith Eisenhofer durch ihr routiniertes Wechselspiel der Violinen glänzt, ohne dabei die musikalische Gestaltung zu verlieren; die tieftraurige Schönheit der Solovioline im dritten Satz und schließlich auch die Erweiterung der Sinfonie im vierten Satz um eine Vokalstimme. Obwohl die stark engagierte Mezzosopranistin Amira Elmadfa hierbei leider etwas enttäuscht, bleibt ein tiefer Eindruck und eine aufrüttelnde Begeisterung für Mahlers Sinfonie haften. Diese scheint allerdings nicht jeden in den diesmal wunderbar gefüllten Rängen und Parkettreihen zu packen, gibt es doch ein eindrucksvolles Hinausstürmen mit Verklingen des letzten Tones zu beobachten. Das sollte jedoch auch mit Verständnis bedacht werden, fühlen sich einige Konzertbesucher doch schließlich in der anhaltenden Sorge um ihre an der Garderobe hinterlegten Kleidungsstücke just in dem Moment gepackt, in dem eigentlich ein Applaus angebracht wäre.
Nichtsdestotrotz- ein außergewöhnlicher Konzertabend, der besonders durch brillante Solisten und sogar ein wenig aufgefrischte Musikgeschichtskenntnisse zu überzeugen weiß. Nur ein, ja der wahrscheinlich bedeutendste Großmeister der Sinfonien fehlte- Ludwig van Beethoven. Dessen 3. Sinfonie Eroica wird jedoch beim vierten Philharmonischen Konzert nachgeliefert, sodass man also schon jetzt positiv gespannt sein darf.

 
Felix Lorber