CD Besprechung Walter Braunfels

Hinreißende Aufführung – glanzvolle Aufnahme

Das Orchester Altenburg-Gera mit Orchesterwerken von Walter Braunfels

Wieder hat das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera eine CD hingezaubert, die aller Aufmerksamkeit wert ist. Nicht nur, dass sich der Klangkörper hier vielfarbig glänzend und in faszinierender Schönheit zu präsentieren weiß – das Hörerlebnis wird zudem durch Werke eines Komponisten komplettiert, wie sie seit Jahrzehnten zu den Repertoire-Besonderheiten der Bühne und des Konzertsaals zählen. 2011 hat das Theater mit Walter Braunfels’ „Ulenspiegel“ ein weiteres Mal enorme Resonanz gefunden – mit einer Oper, die seit ihrer Uraufführung von 1913 im Vergessenen ruhte. Auch die „ Sinfonischen Variationen über ein altfranzösisches Kinderlied“, das erste Orchesterwerk von  Braunfels, erklingen erstmals nach 1933 wieder und sind auf der Platte als Erstaufnahme festgehalten. Dass der Komponist damals verstummen musste. das war nicht bloß sein Schicksal. Braunfels, 1882 in Frankfurt am Main geboren und 1954 in Köln gestorben und mit Franz Schreker und Richard Strauss einer meistgespielten Komponisten der Zwanziger und beginnenden Dreißiger des 20. Jahrhunderts. wurde von den Nazis – wie die meisten jüdischen, missliebigen oder widerständigen Künstler – wenn schon nicht ums Leben, so doch um seine Wirkungsstätten und Ämter und zum Verstummen gebracht und für Jahrzehnte ins Vergessen geschickt. Schreker, Zemlinsky und Korngold; Goldschmidt, Ullmann oder Haas, Schönberg, seinen Schüler oder Mahler erging  es nicht anders. Ein gravierender Verlust für die europäische Kultur!

Nun ist Walter Braunfels mit zwei effektvollen Stücken wieder zurück – Belege für den musikalischen Einfallsreichtum und die Verwandlungskunst des Komponisten und zugleich eine neue Herausforderung für das Orchester, die die Musiker souverän meistern. Schwungvoll und rauschend, filigran und finessenreich und mit vielen feinen Soli errichten sie unter der eindringlichen Leitung von Markus L. Frank ein opulentes Klanggebäude. Die Kinderlied-Variationen hat Hermann Abendroth1909 in Lübeck aus der Taufe gehoben. Es sind meist kleine Motive, die dem Thema entnommen sind und zum Stimmungsträger werden, und den liedhaften, verträumten und verspielten Variationen ist jegliche Freiheit gestattet, sofern sie nicht diese lyrische Welt verlassen. Das weitaus raffiniertere Werk „Don Juan“ hat Wilhelm Furtwängler im November 1924 in Leipzig uraufgeführt, in Berlin wiederholt und 1927 in New York präsentiert – obwohl er und Braunfels sich nicht grün waren: Der Komponist hatte dem Dirigenten die Braut ausgespannt und sich über dessen Musik mokiert. Doch Furtwängler war nicht der einzige bedeutende Dirigent, der sich seinerzeit für Braunfels eingesetzt hat, und auch Komponisten-Kollegen wie Strauss, Pfitzner und Max von Schillings standen am Pult.

In den Don-Juan-Variationen soll „ein klassisches Gebilde. mit romantischem Geist verbunden, traumhaft aufsteigen und abtauchen“, und dieser „Phantasmagorie“ liefern die „Champagner-Arie“ und andere Themen und Motive aus Mozarts „Don Giovanni“ die Vorgabe. Vielgestaltig und vielfarbig scheint ein Klangfest voller Lebenslust und Übermut, Dämonie und Klagelauten, mit Tanzszenen und diabolischem Treiben auf. Vergnügt lässt sich den musikalischen Verführungs- und Maskenspiel zuhören und der Orchester-Auftritt ist auch nicht Ohne! Deutschland Radio Kultur liefert die perfekte Klangaufnahme und das Label Capriccio präsentiert das erstklassige Hörerlebnis – übrigens nicht zum ersten Mal in Sachen Braunfels. Und wieder wunderbar!

Eberhard Kneipel (Juni 2016)

Walter Braunfels, Don Juan op. 34 / Symphonic Variations on an Old  French Nursery Song op. 15 / Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Markus L. Frank // 1 CD Capriccio C 5250

Braunfels