Das Gespräch eines Großvaters mit seiner Enkeltochter über den Kulturabbau in unserer gemeinsamen Heimatstadt Gera
Von Wolfgang Hothorn
Seit Dienstag,dem 1.Dezember 2015, dem Besuch der ersten Diskussionsrunde über die weitere Entwicklung der Theater – und Orchesterlandschaft Thüringens in Altenburg und der anschließenden Runde am 8.12.2015 in Gera,nimmt mich ein fürchterliches Szenario in Besitz.
Im Jahre 2025 geht meine dann 13 jährige Enkeltochter mit ihrem alten Großvater,dann 85 jährig,durch den Küchengarten spazieren.Wir bleiben vor einem repräsentativen Gebäude stehen,welches vor über 120 Jahren seiner Bestimmung übergeben wurde.Meine Enkelin fragt:“Ist das unserer ehemaliges Theater? Wie ich von Dir erfuhr gab es hier mal ein sogenanntes Fünfspartentheater.Was gibt es hier heute noch?“
Meine wehmütige Antwort:“Hin und wieder ein Schauspiel und ein volkstümliches Konzert.“
„Wieso“ – war die berechtigte Frage.
Ich erklärte meiner Enkelin die Geschichte dieses Hauses:
Dein Opa ist als Kind schon mit dem Zaubervirus Theater infiziert worden.Meine erste Oper, die ich gehört habe, war die „ Aida“ mit dem legendären ersten Heldentenor der ehemaligen Breslauer Oper Rudolf Streletz,der blutjungen, späterhin berühmt gewordenen Hannelore Kuhse in der Titelrolle und der Anneliese Bey als Amneris.Es war für mich faszinierend.
Theater und später das Konzerterlebnis haben mich nicht mehr losgelassen.
Als heranwachsender Mensch habe ich das Auf und Nieder unseres Theaters miterlebt.Auch in der mit Unrecht durchwebten DDR kam es auf der einen Seite zu einer langsamen Personalreduktion.Das mal vorhandene Operettenensemble verschwand z.B.Mehrere Fachgebiete gingen in gemeinsame auf.Unsere Generalmusikdirektoren haben aber immer wieder auf der anderen Seite eine Stellenaufstockung für das Orchester bei Partei und Regierung angemahnt.Sehr eindrücklich ist mir das Engagement von Herrn Günther Schubert in Erinnerung geblieben.Jeder Tropfen höhlt den Stein war damals die Devise.Mit Erfolg.Ein zweites Anrecht konnte eingerichtet werden,da das Interesse der Geraer und der Bürger aus den Nachbarkreisen an qualitativ hervorragenden Konzerterlebnissen enorm gestiegen war.Bald wurde aus dem Orchester der Bühnen der Stadt Gera eine Philharmonie und das mit einem Zuwachs an Musikern.Es waren immer festliche Stunden,die die Menschen auch in ihrem Äußeren zum Ausdruck brachten.
1977 war ein besonderes Jahr.Der Einbau und die Weihe einer neuen Orgel durch Herrn Prof.Köhler und unserem Theaterorganisten Herrn Sieghardt Zitzmann war der Höhepunkt der Saison.Ca. 500000 Mark der Notenbank der DDR soll diese musikalische Fortschrittsentwicklung gekostet haben.
Bis vor kurzem war Herr GMD Laurent Wagner,ein französischer Mitbürger,der ein lupenreines Deutsch sprach, noch hier tätig.Resigniert ist er in den Ruhestand gegangen.Eine Nachbesetzung ist nicht erfolgt.
Seit 5 Jahren geht der Orchesterabbau nun vonstatten.Von ehemals 78 Stellen,von denen noch zu meiner aktiven Besuchszeit nur 73 besetzt waren ,sind jetzt noch 60 vorhanden .Die Planung der Konzertinhalte ist zur Beliebigkeit verkommen.Die vor 10 Jahren,also im Jahre 2015, als i- Tüpfelchen gepriesene Kooperation mit der Jenaer Philharmonie hat sich als Rohrkrepierer erwiesen,wenn Du weißt was ich meine.Die Jenenser haben die Absicht des Ministers in aller Öffentlichkeit abgelehnt.Der Klang unseres Orchesters wurde im Laufe der Jahre immer dünner und dünner, das Konzertrepertoire immer schmaler.
„Was habt ihr denn dagegen unternommen?“ wollte meine Enkelin wissen.
„Warum habt Ihr denn nicht gegen diesen nicht hinnehmbaren Kulturabbau protestiert?“
Doch mein Kind,das haben wir, entgegnete ich meiner Enkeltochter.
Schlagartig sind wir wieder in der Realität angekommen.
Deshalb muss ich folgende Fragen an den Herrn Minister, richten:
Welchem Hirn oder wie Sie es formulieren,man darf auch mal schwarze Schwäne denken im nichtöffentlichen Raum, sind diese kruden Gedankengänge einer solchen neuen Kulturordnung für Theater und Orchester entsprungen? Bei deren Umsetzung in der gedachten Form wäre es der radikalste Schritt in Richtung einer weiteren Kulturminimierung in Thüringen.Das bei einer dominanten Linksregierung!Sie würde im wahrsten Sinne des Wortes die bisherige kulturfeindliche Politik von CDU oder in Gemeinsamkeit mit der SPD links überholen. Ihr Ministerpräsident postulierte bei seinem Dienstantritt:
Wir machen keine Revolution…..wir wollen nicht alles anders,aber vieles besser machen.
Warum ist unter dieser Flagge nicht als Erstes aus Ihrem Ressort der Vorschlag gekommen Kultur zur Pflichtaufgabe zu machen,wie in einigen CDU regierten Ländern?
Warum gibt es immer noch eine durch das Land gesteuerte finanzielle Ungleichbehandlung der Häuser?
Wieso kann der Egozentrik des SPD Vorsitzenden des Landes Thüringen,in Personalunion OB der Stadt Erfurt,Raum für den Ruf nach einer Staatsoper Erfurt gegeben werden,vielleicht noch als nachgeordnete Einrichtung des Landes mit 100% iger Bezuschussung?
An die Damen und Herren Lokalpolitiker stelle ich die Frage:
Wieso soll der Stellenabbau im Orchester alternativlos sein?
Diese Aussage trafen Frau Landrätin Sojka (Linkspartei) in trauter Gemeinsamkeit mit dem CDU Mitglied FrauZippel,ihres Zeichen Mitglied des Kulturausschusses im Altenburger Kreistag.Das Mitglied des Stadtrates Gera und zugleich Mitglied des Thüringer Landtages Herr Huster kann, von ihm geäußert, keinen Kulturabbau erkennen.
Der Herr Minister,hochintelligent,rhetorisch geschliffen, versucht nun die finanzielle Miesere bei dem angedachten Ausgang der Kulturneuordnung damit zu verbrämen ,
dass wir doch irgendwann mal zur“ Fläche“ zurückkehren wollen. Bravo !
Es doch gar keinen Kulturabbau gibt.Bravo ?
Die Stellen bleiben doch alle erhalten.Bravo ?!
Hohe Qualität in gefestigten Strukturen.Bravo !
Ich stelle mich doch der Diskussion.Bravo !
Alleine dieser Tatbestand würde Respekt einfordern,wenn der Ausgang des unwürdigen Theaterkampfes nicht schon fest stände.In 5 Jahren beginnt der letzte Akt des Niederganges unseres Theaters.Dann kommt es zu dem Renteneintritt einiger unserer Musiker mit verweigerter Nachbesetzung.Man nennt das sozialverträgliches Abschmelzen. Die Folgen sind bekannt.Dazu gibt es sehr kompetente Wortmeldungen in den Medien,auch in der OTZ.Die Respektlosigkeit gegenüber Denjenigen,die bisher dafür gekämpft haben,dass das Orchester auf dem bekannt hohen Niveau spielen kann sucht ihresgleichen.Die Arroganz gegenüber dem musikinteressierten Bürger,der eine enorme Einschränkung der Musikliteratur hinnehmen muss,war kaum zu erahnen.
Deshalb fordere ich alle Verantwortlichen auf diesem makaberen Spiel ein Ende zu setzen.
Gera hat bereits geliefert!
Halbierung des Personalbestandes nach erfolgter Fusion ! Selbstsubventionierung durch Lohnverzicht.
Der Haustarifvertrag gehört ausgetauscht gegen einen gültigen Flächentarifvertrag bei dem Hintergrund sprudelnder Steuerquellen und auf einmal vorhandener unvorstellbarer hoher Geldmittel für bekannte Sonderausgaben.Hinzukommt das Verschleudern von Millionen durch sinnlose Ausgaben, immer und immer wieder durch den Bundes – und Landesrechnungshof angemahnt.
Gera hat es verdient zur Absicherung seines Betriebes 50 Stellen im technischen Bereich als sofortige Notmaßnahme genehmigt zu bekommen.Darüber hinaus wäre zur Qualitätserhöhung eine Aufstockung in der Gruppe der Streicher wünschenswert zumindest die Besetzung der fehlenden 5 Stellen.
Ich muss wieder einen Sprung in das Jahr 2025 machen.
Meine Enkelin fragt:
„Nun Großvater, wie ist das alles ausgegangen?“
„Du siehst es mein Kind“.
Der verantwortliche Kulturminister,ein narzisstischer Apparatschik, hat sich als ein kulturpolitischer Sargnagel der Rot-Rot-Grünen Koalition erwiesen. Er ist längst wieder in Berlin .
Ein großer Teil der damals auf Kommunalebene agierenden Politiker ist auch nicht mehr da.
Die Kommunen können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen auf Grund einer vordergründig durch den Bund zu verantwortenden Steuerpolitik.Die Kommunen sind ausgeblutet.
Nach 4 Jahren ist das Experiment Rot-Rot-Grün geplatzt.
Die Bürger haben den Versuch der Regierung, etwas besser zu machen, nicht honoriert,weil es nicht besser wurde.
Der Kahlschlag an unserer in der ganzen Welt bekannten und von ihr beneideten Kultur hat mit dazu beigetragen, dass es zu einer folgerichtigen Abwahl der Regierung kam.
Als Linksintelektueller bedauere ich diesen Ausgang.
Es hätte vielleicht etwas Gutes werden können.
Eines muss ich Dir unbedingt noch sagen:
August Everding, ein bekannter Theatermann, sagte schon 1993:
Wo Kultur wegbricht,wird Platz frei für Gewalt.
Diese geträumte Vision hat mich schweißgebadet munter werden lassen in der Hoffnung, dass dieses Szenario keinen Wirklichkeitscharakter erhält.
An unseren Generalintendanten,Herrn Kay Kuntze, möchte ich in der Jetztzeit die Bitte richten sich nicht durch die Macht an die Wand drücken zu lassen.Was einmal verloren gegangen ist, kommt nicht wieder.Dafür gibt es genügend Beispiele in den letzten 25 Jahren aus anderen gesellschaftspolitischen Bereichen.
Die angedachte „gute 66“ kann nicht das Ziel sein.