Begeisterung und Lust auf mehr
Gera erlebt zum Auftakt der neuen Spielzeit mit dem Philharmonischen Orchester Altenburg-Gera in einem einzigen Konzert schon all jenes, was das Programm der Saison 2014/2015 für Kommendes verspricht. Emotionen, Dramatik,, Präzision, Pannen, Virtuosität, Witz und besonders eines- Begeisterung.
Eine Konzertsaison, die mit dem krankheitsbedingten Ausfall der eigenen Konzertmeisterin und dann auch noch ihres, aus München extra nachverpflichteten Vertreters beginnt, die kann ja besonders werden. Oder? So denkt wahrscheinlich das Geraer Publikum während der ent- und ermutigenden Worte des Generalmusikdirektors Laurent Wagner, noch bevor der erste Ton erklingt. Doch was dann folgt, ja, wie aus dem zweiten Ersatz und eigentlich als Solisten für Mozarts Violinkonzert in G-Dur verpflichteten David Castro-Balbi der neue Liebling des Konzertsaales wird, ist dann wirklich besonders.
In Joseph Haydns Sinfonie Nr.6 in D-Dur, die den bezeichnenden Untertitel ‚Der Morgen‘ trägt, gibt es zwar kein ausgeschriebenes Soloinstrument, und doch ist es ein Stück beinahe nur für Solisten. 1761 geschrieben, ist es irgendwo im Übergang vom barocken Concerto grosso zur klassischen Sinfonie anzusiedeln. Anklänge von beiden Gattungen sind zu hören. Seiner barocken Wurzeln nach, ähnelt die Besetzung der Musiker auch eher der eines Kammerorchesters. Gelichtet scheinen die Reihen auf und leider auch vor der Bühne. Allerdings komponierte Haydn seine Sinfonie so, dass beinahe jede Instrumentengruppe einen Solopart aufweist, wobei in Gera besonders Kontrabass und Fagott herausragen. Auch der eingesprungene Konzertmeister Castro-Balbi kommt so schon weit vor seinem eigentlichen Solokonzert zu herausragenden Gelegenheiten. Und plötzlich holen sich das Orchester und besonders er schon nach dem allerersten Stück der neuen Spielzeit einen Applaus, gefolgt von Jubelrufen ab, den man sich nur für jedes Konzert wünschen kann.
Das eigentliche Violinkonzert mit dem nun tatsächlichen Solisten Castro-Balbi läuft beinahe schon erwartungsgemäß souverän ab. Der 20-Jährige Ausnahmegeiger, nur ein Jahr älter als Mozart, als dieser sein 3.Violinkonzert in G-Dur schrieb, bestätigt die schon im Haydn gezeigte Brillanz und darf zur Belohnung als Zugabe sogar noch ein gemeinsames Stück mit seinem Bruder am Violoncello präsentieren. Der Konzertsaal tobt also schon zur Pause. Und trotz aller Virtuosität und musikalischen Ausgereiftheit des Dargebotenen hätte man sich vielleicht doch einen kraftvolleren Auftakt zur neuen Saison gewünscht.
Dieser sollte dann in der zweiten Hälfte des Konzertes folgen. Richard Strauss‘ symphonische Dichtung ‚Don Quixote‘ steht auf dem Programm. Das Orchester wird beinahe auf den doppelten Umfang des ersten Durchganges vergrößert. Und so wechseln sich Klanggewalt, rumorende Pauken und fast schon bellende Blechbläser mit dem Witz der, Don Quixotes Gehilfen Sancho Pansa verkörpernden Solo- Bratsche, intoniert von Jan Kögelmann, und dem manchmal karikierenden, manchmal echten Pathos des Solo-Violoncellos als Don Quixote-Verkörperung, hier gespielt von einem hervorragend aufspielenden, aber manchmal zu korrekt wirkenden Nico Treutler, ab. Nach barock-klassischer Begeisterung in der ersten Hälfte ist der Beifall nun eher lauwarm, doch dem geneigten Zuhörer musste die musikalische Schärfe und Souveränität des von Laurent Wagner geleiteten Orchesters besonders im Don Quixote ins Ohr springen. Es scheint, dass Wagner in seinem zweiten Jahr in Altenburg/Gera der Musik noch mehr seinen Stempel aufdrücken kann, was eine unglaubliche Bereicherung darstellen sollte. Man darf gespannt sein, was noch folgen mag.
Und so ist das 1. Philharmonische Konzert ein anregender, stellenweise begeisternder Auftakt in die neue Spielzeit. Halten Wagner und das Orchester die Qualität, sollte man kein einziges der kommenden Konzerte verpassen.
Felix Lorber

