5. Philharmonische Konzert

Ein Abend der Kontraste

Zum 5. Philharmonischen des Orchesters Altenburg/Gera darf man sich wieder über einen Gastdirigenten freuen – Peter Ruzicka ist vor allem jedoch ein sehr erfolgreicher Komponist, dessen Werke bereits unter anderem in Berlin, Leipzig, Wien und München aufgeführt wurden. Vielversprechend ist also auch sein Werk FLUCHT, geschrieben 2014, welches aus 6 Teilen besteht und im Groben das Seelenleben des Philosophen Walter Benjamin darstellen soll. Besonders die mystischen, flirrenden und somit ungreifbaren Klänge sind es, die hervorragend durch die Streicher dargeboten werden und zudem die gewaltsamen Ausbrüche, vor allem hörbar gemacht durch große Trommel und immerhin acht Pauken, die dem Stück beim Hören zumindest bildhaft Halt geben. Die rhythmisch verschleierten Strukturen gehen zwar an die Substanz, sind aber im Sinne des Komponisten gut getroffen. Auch die ungewohnten Klänge hat sich das vollbesetzte Orchester auch in vielleicht unüblichen Spielweisen der Instrumente gut eingelassen, das Ergebnis ist ein sehr interessanter Vortrag zeitgenössischer Musik.

Den krassen Kontrast des Abends bildet im Folgenden das Violinkonzert E-Dur von Johann Sebastian Bach. Für den Solopart wurde die talentierte und extrovertierte Violinistin Diana Tishchenko, deren Biografie schon viele musikalische Höhepunkte aufzuweisen hat, eingeladen. Unterstützt durch das nun ausgedünnte, aber sehr agile Streichorchester, gelingt es, eine frische und bewegte Vorstellung des Werkes aufzuführen. Die Außensätze bilden dabei in ihrer Schnelligkeit und den daraus folgenden virtuos exakten Passagen und Verzierungen der Solistin mehr Anlass zum Staunen als der langsame zweite Satz. Nach dem kurzweiligen Werk Bachs glänzt Tishchenko mit einer Zugabe, die sämtliche technische Schwierigkeiten des Violinspiels zusammenfasst, denen sie aber mit einer erstaunlichen Portion an Selbstverständlichkeit gewachsen ist. Das Publikum spendet umjubelten Applaus.

In der zweiten Hälfte ist der Zeitsprung zum nächsten, im 20. Jahrhundert entstandenen Werk, wieder ein großer. Die Umstellung von klaren und vorhersehbaren harmonischen Abfolgen zu dem eigenen Tonsystem George Enescus ist keine leichte, zumal die 4. Sinfonie in e-Moll auch an Tutti-Stellen im Orchester nicht wenig zu bieten hat. So entsteht teilweise eine klangliche Überlagerung, die zwar Eindruck macht, vom Inhalt aber nicht immer gleich erfasst werden kann. Klanglich ausgedünnte und differenzierte Passagen sind im zweiten Satz hörbar, hier ist sofort das gute Zusammenspiel der Musiker erkennbar. Das Stück bewegt sich in einem Spannungsfeld starker Kontraste, die lauten Fortissimo-Ausbrüche des Orchesters sind jeweils Ausdruck für die Kämpfe zwischen dem Menschen und seinem Leiden, die der Komponist als Interpretationshilfe vorgesehen hat.

Ab April 2018 besteht in Gera und Altenburg mit der Aufführung seiner Oper „Oedipe“ eine weitere Möglichkeit, sich mit der unbekannteren Musik Enescus auseinanderzusetzen.

 

Tobias Hohberg, 14.02.2018