1. Philharmonisches Konzert

Ein Schuss Solidarität…..

Der Start der neuen Spielzeit. Das 1. Philharmonische Konzert steht an. Doch 2015/16 beginnt zunächst einmal wie gehabt. Ein halbvoller- oder halbleerer Saal, nun ja, wie man eben möchte. Auch das erste Stück der Saison erinnert an altbekannte Konzertanfänge. Schon im letzten Jahr eröffnete eine halb klassisch, halb barock anmutende Sinfonie des Wiener Meisters Joseph Haydn drei der neun Philharmonischen Konzerte. Nun also die Sinfonie D-Dur „Mit dem Hornsignal“.
Es ist ein ziemlicher langweiliger Vortrag des Geraer Ensembles. Zwar harmonieren die Streicher mit Generalmusikdirektor Laurent Wagner immer besser und bewegen sich auf Bestnoten zu, doch die Hornsolisten enttäuschen leider, einzeln, wie auch als Gruppe. Sie wirken abseits vom Geschehen, beinahe wie ein extra Korpus, obwohl sie doch die Hauptakteure sind. Auch der Solo-Kontrabass erwischt wieder einen schlechten Tag, was zumindest aber die Spannung im Publikum aufrecht erhält. Insgesamt wird dieser Haydn wie ein klassisches Wohlfühlstück präsentiert, eine angenehme Eröffnung für den Großteil des Auditoriums, mehr nicht.
Den ersten Höhepunkt, der sich auch tatsächlich als solcher bezeichnen darf, erlebt Gera dann aber schon mit dem zweiten Stück des Abends. Anlässlich des 100. Todesjahres Karl Goldmarks erklingt dessen Violinkonzert in a-Moll. Ein sensationelles Stück! Mit einem unglaublichen Solisten. David Castro-Balbi, schon aus der vorherigen Spielzeit als Solist und neuer koordinierter 1. Konzertmeister bekannt, legt eine Meisterleistung hin. Technisch brillant meistert er nahezu alle Passagen des sehr anspruchsvollen Soloparts. Besonders die Spitzentöne zaubert er aus seiner Geige als wäre es ein Kinderspiel. Überdies ist es eine Wonne, ihm zuzusehen- man kann sein Spiel als durchaus spektakuläres Ereignis betiteln. Er ist das, was man sich von einem Solisten erwartet, steht über dem Orchester und trotzdem in vollem Maße in ihm, lebt das Stück, fiebert mit, ist bis zum letzten Ton gespannt wie sein Bogen. Bei einer solchen Leistung fällt es dem Orchester nicht schwer, einen ansprechenden Job zu machen; es harmoniert gut mit Castro-Balbi. Und auch das Publikum lässt sich nicht lumpen und würdigt diese Darbietung diesmal mit gebührendem Applaus; die Sommerpause hat die Geraer wieder frisch gemacht.
Doch sie hat auch noch etwas anderes: nämlich schlechte Nachrichten gebracht. Und diese führt Laurent Wagner auch jedem noch einmal vor Augen, kurz bevor nach der Pause Robert Schumanns 4. Sinfonie erklingen soll. Zum Glück tut er das. Denn, welches Horrorszenario ein Orchesterabbau, wie er derzeit von Teilen der Landesregierung geplant und vor zwei Wochen öffentlich gemacht wurde, auslösen könnte, erklärt er anschaulich und erschütternd. Stücke, wie das Schumanns würden in der Zukunft der Seltenheit angehören, wenn nicht ganz aus dem Spielplan verschwinden müssen. Und, wie um zu beweisen, wie wertvoll ein Orchester in der derzeitigen Formation für den ganzen Raum um Altenburg und Gera ist, legen Wagner und seine Musiker in der Schumann-Sinfonie einen beispiellosen Vortrag hin. Sie bilden eine kraftvolle Einheit, die sich durch alle vier Sätze, die übrigens dem Wunsch des Komponisten folgend, ohne Pausen nacheinander erklingen, zieht. Der Zuhörer kann schwelgen, ergriffen sein, staunen. Es bereitet große Freude, das Philharmonische Orchester mit solcher Konsequenz am Werke zu sehen und zu hören. Der Applaus im Nachhinein ist groß und auch ein wenig ehrfürchtig. Ein großer Schuss Solidarität, mit diesem, von Hiobsbotschaften gezeichneten Ensemble und Theater, schwingt plötzlich in vielen Gesichtern mit. Heute Abend sind sie wieder Helden- die Musiker des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera.
Es bleibt schließlich zu hoffen, dass etwas von dieser Solidarität auch über den Abend hinaus gerettet wird. Auch, wenn man sich notfalls aus den bequemen Sesseln erheben muss. Auch, wenn eine Entscheidung gar auf der Straße ausgekämpft werden sollte.
Es lohnt sich.

 
Felix Lorber