1. Philharmonisches Konzert

Volle Bühne zum Einläuten der neuen Konzertspielzeit 2017/18

Endlich geht es wieder los: Die Freude darüber teilen wohl alle Musiker und Zuhörer, die sich an diesem Abend im Konzertsaal des Geraer Theaters zum 1. Philharmonischen Konzert der Spielzeit 2017/18 zusammengefunden haben. Zum Einstieg und mit voller Orchesterbesetzung verzaubert das Orchester das Publikum mit dem Adagio aus dem Ballett Spartakus von Aram Chatschaturjan. Klänge und Melodien, die beim Zuhörer die Liebe zur klassischen Musik nur bestärken können, harmonische Spannungen und Auflösungen, die mit größter Sensibilität und Feingefühl von den Musikern ausgeführt werden. Dirigent Laurent Wagner ist ganz nah am Klang, er treibt die Streicher voran und nimmt sie wieder zurück, Bläserakkorde werden dem Charakter entsprechend darauf gesetzt. Dem Publikum gefällt dieser herzliche Einstieg.

Neben bekannten Komponisten im Programm des Abends sorgt Tichon N. Chrennikov mit seinem 2. Klavierkonzert in C-Dur für den Fokus auch auf weniger bekannte Musik. Der Solist Prof. Jascha Nemtsov, der auf eine erfolgreiche Klavierkarriere blicken kann, ist außerdem Botschafter für die jüdische Kultur und Musik und hat den Komponisten selbst noch kennen gelernt. Sehr nah an der Tastatur sitzend, die Augen nicht weiter als 20 Zentimeter von den Noten entfernt, beginnt Nemtsov mit einer langsamen Einleitung. Musikalisch hat das Klavierkonzert neben lyrischen Passagen auch tänzerische und kecke Klänge zu bieten. So springen Nemtsovs Hände also in rasender Schnelligkeit über die Tastatur, die Klarheit wird dadurch nicht gemildert. Das Orchester schmiegt sich sensibel in die Rolle der Begleitfunktion.

Für Schostakowitschs 13. Sinfonie nach der Pause ist die Bühne bis auf den letzten Meter bereits zum ersten Konzert dieser Spielzeit vollkommen ausgefüllt. Als besonderer Gast wirkt an diesem Abend der Männerchor des Gottesmutter-Klosters aus Kasan mit. Solist ist Ulrich Burdack, bekannt aus dem Sängerensemble des Geraer Theaters. Dieser, eigentlich bekannt für die verrückteren Rollen in den Opern, übernimmt heute den Part des betroffenen Erzählers, eine Rolle, die in ihrem Wesen und stimmlich sehr gut zu ihm passt. Schostakowitschs Musik, eine Symbiose aus inniger Leidenschaft und ausbrechender Wut, wird vom Orchester mit der nötigen Energie und Schlagfertigkeit fesselnd interpretiert. Der Männerchor zieht mit russischer Tiefe die Zuhörer in seinen Bann. Der vorgetragene Text, fünf Gedichte von Jewgeni Jewtuschenko über unter anderem die Judenvernichtung in Babi Jar, ist vielleicht nicht beim ersten Lesen in Gänze zu verstehen, die Musik jedoch verrät alles über die angedachte Stimmung. Wagner hält nicht nur seinen vor ihm sitzenden Klangkörper tadellos zusammen, auch das Übertragen seiner musikalischen Forderungen ist im ganzen Saal zu bemerken. Die einstündige Sinfonie endet langsam und leise, knisternde Spannung ist noch lange nach dem Verklingen des letzten Tons spürbar. Ein sehr langer, herzlicher und jubelnder Applaus ist Quittung für ein überzeugend vorgetragenes Meisterwerk, besondere Ehrung erhält Dmitri Schostakowitsch durch Laurent Wagner, indem er die Partitur in die Höhe hält. Um nochmals in den Hörgenuss russischer geistlicher Musik zu kommen, entlässt der Männerchor das Publikum mit einem friedvollen Pater Noster nach der aufwühlenden Musik Schostakowitschs.

06.09.2017, Tobias Hohberg

Das Konzert wurde vom Deutschlandfunk Kultur aufgenommen und wird am 05. Oktober 2017 um 20:03 Uhr dort nachzuhören sein.